Schöneberger Trachten Couture

Nach dem Oktoberfest ist vor dem Oktoberfest

Nach dem Oktoberfest ist vor dem Oktoberfest

Die Statistiken belegen, dass es ein ganz normales Oktoberfest mit einem leichten Besucherrückgang war. Manche - unter ihnen Münchens Oktoberfest-Chef Josef Schmid - schieben diesen Besucher-Einbruch auf das Wetter, andere auf die Flüchtlingsproblematik. Aber ob nun etwas weniger Brathendl verzehrt wurden oder nicht: Viel interessanter ist es, die aktuellen Oktoberfest-Küchentrends zu bewerten.

Qualität geht zukünftig vor Quantität

Es geht nicht mehr um die Menge des genossenen Bieres. Angesichts des diesjährigen Preises für die Maß ist das Maß auch voll. Es geht den Oktoberfestbesuchern vielmehr darum, etwas anspruchsvollere Kost als die üblichen Brathendl zu genießen. Im Vorjahr hatten die Wiesnbesucher noch 509.000 Grill-Hähnchen den Garaus gemacht. In diesem Jahr blieben die Hendl-Bratereien auf 5-7 Prozent der Brathendl sitzen - und das, obwohl man mit jeder Sitzplatz-Reservierung einen Verzehrgutschein für eine Maß Bier und ein halbes Hendl erwirbt. Der gedämpfte Hendl-Verzehr alleine lässt aber noch nicht tief blicken. Vergleicht man die Zahlen von 2013 mit den diesjährigen, findet man 2013 trotz deutlich mehr Besuchern fast die gleiche Zahl verzehrter Hendl. Das Volk schreit derweil nach anspruchsvolleren Wiesn-Gerichten. Gefragt waren 2015 Ochsenbraten, Kalbsbraten oder Entenbraten. Trotz frischem Herbstwetter war Bier-Eis ein Oktoberfest-Renner.

Das Trachten nach gediegener Qualität und höherem Anspruch hat sich auch bei der Zeltausstattung manifestiert. Mehr Annehmlichkeiten und kürzere Wege für die Gäste werden sich wohl auch bei der Wiesn 2016 durchsetzen. Der Bierrausch ist - trotz 7,3 Millionen durch die Kehlen geflossener Maß Bier - anscheinend nicht mehr einziges Ziel eines Wiesn-Besuches. Was jedoch gerne wieder rückläufig sein darf, ist die hohe Zahl der Frauen bei den registrierten Alkoholvergiftungen. Etwa vierzig Prozent der ausnüchterneden 628 Wiesn-Besucher waren weiblichen Geschlechts. Zwar ist die Zahl der Alkoholvergiftungen insgesamt gesunken, doch die Zahl stark betrunkener Damen ist besorgniserregend. Immerhin: Ganz München wirkt in den Tagen nach jeder Wiesn traditionell ernüchtert. Nur der Alka Selzer-Verbrauch bleibt noch einige Zeit auf hohem Niveau.

Die Geschmäcker bleiben verschieden

Die Theresienwiese gilt nicht umsonst als der berühmteste Laufsteg für Trachtenmode. Doch dieses Jahr war trotz herbstlichem Wetter Wagemut angesagt. Neben auffallend beliebten Lederhosen-Hotpants und Micaela Schäfers barbusiger Lederhosen-Version, die es bis in die amerikanische Presse schaffte, gab es auch Ganzkörperanzüge am Mann zu sehen. So mancher hielt sich für Supermann oder King Kong. Solange es der Gaudi anderer dient - bitteschön. Trotzdem gibt es zu denken, dass man 2015 mehr Touristen in hochwertiger Trachtenkleidung gesichtet hat als Einheimische. Nun ja: Auf der Theresienwiese darf jeder, wie er mag. Unpassend waren allenfalls jene Damen gekleidet, die sich eine zum Dirndl passende Leichtdaunenjacke übergezogen hatten. Meine Damen: Früher wurde einer Frau durch die Blicke der Burschen warm ums Herz! Ein modisches Accessoire von großer Bedeutung war dieses Jahr der Regenschirm.

Die Prominenz fiel durch mehr oder weniger Geschmack bei der Kleiderwahl auf. Wohl kaum ein Promi ließ sich nicht in Tracht vor dem Käfer-Zelt ablichten. Neben Uschi Glas kamen auch Elyas M'Barek, die gesamte Mannschaft von "Bayern München" und alle, die sonst auch zur Oktoberfest-Wiesn antreten. Dass die Theresienwiese ordentlich begossen wurde, belegt ein wundervolles Foto, auf dem man an die 20 lederbehoste Jungmänner einträchtig eine Stange Bier auf einem Rasenstück absetzen sah. Obwohl Pressezensur in Deutschland nicht gerne gesehen wird, wurden die entblößten Körperteile verpixelt. Prüderie ist auf der Wiesn jedoch nicht üblich. Die Zahl der Geburten wird wie üblich neun Monate später ansteigen. Die Zahl der gescheiterten Beziehungen könnte man schon jetzt recherchieren. So gesehen, war alles wie immer.

Ordnung muss sein

Friedlich war's - aber die Wiesn-Polizei und die Sanitäter hatten trotzdem reichlich zu tun. Mit 47 Maßkrug-Schlägereien, 3312 Verletzten, die versorgt werden mussten und 372 Körperverletzungen auf 16 Tage gerechnet, blieb die Bilanz angesichts der hohen Besucherzahl noch moderat. Trotzdem ist die Zahl der insgesamt im Wiesn-Umfeld verübten Straftaten rückläufig. Neu war, dass die Wiesn-Einätze der Polizei per Twitter-Hashtag verfolgt werden konnten. Außerdem warnte die Polizei per "Katwarn"-App am Samstag, den 3. Oktober davor, das Oktoberfest zu besuchen. Es herrschte nämlich bereits drangvolle Enge. Der Ausnahmezustand am "Tag der Deutschen Einheit" ließ die vielen leeren Biertische an den Wochentagen vergessen. Trotzdem fehlte der Wiesn 2015 irgendetwas. Es gab zum Beispiel erstmals keinen Wiesn-Hit. Vielleicht war Helene Fischers "Atemlos" schon etwas zu oft gesungen worden? In den Wiesn-Bierzelten hörte man eher Oldies.

Kaum zum atmen kamen auf alle Fälle die Fundbüro-Mitarbeiter. Neben Smartphones und Geldbörsen suchte man dort auch nach abhandengekommenen Gebissen, einem Hund, einem Clownskostüm oder mehreren Kinderwagen. Außerdem wurden zwei Lederhosen und zwei Dirndlkleider abgeholt. Wenn das nicht tief blicken lässt! Am Ende wurden insgesamt 2948 Fundstücke registriert. Im Vorjahr waren es 3646 gewesen - auch dies ein Indiz für den leicht geschrumpften Besucherstrom. Oder für größere Vorsicht und weniger Bierseligkeit? Interessant ist, dass die Müllvermeidung auf dem Oktoberfest 2015 geklappt hat. Die Müllabfuhr verzeichnete mit 120 Tonnen Müllabfuhr einen beachtlichen Restmüll-Rückgang um 50 Prozent. Dieser Wiesn-Trend darf sich gerne durchsetzen.

Alles bleibt, wie es war!

Die Wiesn-Bilanz ist in der Summe positiv, auch wenn mancher Wiesn-Wirt mit dem Umsatz nicht ganz zufrieden war. Weggeblieben sind vor allem die Oktoberfestgäste aus dem angrenzenden Ausland. Erst am letzten Wiesn-Wochenende kamen auffallend viele Italiener nach München. Stattdessen kamen mehr Münchner Familien. Die Wiesn-Atmosphäre war vielleicht auch deswegen wunderbar entspannt. Wer mag, kann einmal nachrechnen, wie viel Geld man einnimmt, wenn man so-und-so-viele Hendl und Maß Bier am Tag verkauft. Wie Gerd Käfer in einem TV-Magazin zugab, lohnt es sich allemal, ein Wiesn-Zelt zu betreiben. Es ist nicht nur gut für das Image, sondern repräsentiert auch eine logistische Glanzleistung. Selbstverständlich nimmt niemand diese Mühen auf sich, wenn er am Ende nicht genug Geld in den Tresor stopfen kann.

Sammlerherzen schlagen Jahr für Jahr höher, wenn sie des neuen Wiesn-Bierkruges ansichtig werden. Auch die Australier und Amerikaner sind diesbezüglich narrische Sammler. Alljährlich verschickt das Wiesn-Postamt unzählige Bierkrüge nach "Down Under" und in die USA. Für das Oktoberfest 2016 steht bereits jetzt fest, dass es in Vorbereitung ist. Die Unentwegten sichern sich schon jetzt die ersten Tickets für die besten Bierzelt-Tische - ein Ritual, das sich ebenfalls alljährlich wiederholt.

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